Ergänzende Angaben: Künstlerzuschreibung: Das Quiñones-Monument harrt noch immer einer tiefgehenden, sowohl materiellen wie kunsthistorischen Analyse. Vgl. bis heute (mit teilweise widersprüchlichen Zuschreibungen und Werturteilen) Giovannoni, außerdem die beiden besten rezenten Studien bei Boucher, S. 52-53 und S. 325-326 (Kat. 16) und Morresi, S. 159-163.
Boucher geht aus stilistischen Gründen davon aus, dass die Statuen der Könige Israels erst kurz nach 1600 eingefügt wurden. Wenn dem so ist, dann wären die Nischen doch von Anfang an für diese Figuren vorgesehen gewesen. Boucher hält die knienden Engelsfiguren als einzige plastische Elemente für Arbeiten Sansovinos, im Gegensatz zur älteren Forschung, die gerade diese für nachträgliche Komplettierungen aus der Zeit um 1600 angesehen hat. Die Frage, welcher Mäzen in welcher Situation eine Vollendung der Stiftung des Kardinal Quiñones übernommen haben könnte, hat keiner der Stilkritiker beantwortet. [Blaauw, Quiniones, S. 141-142]
Pietro Aretino ist in einem Brief an Jacopo Sansovino aus dem Jahr 1537 der erste, der das Monument erwähnt, und zwar im Kontext einer Reihe von drei Kardinalsgrabmalen, die der Bildhauer in Rom gemacht hatte. Spricht Aretino von einer sepoltura, so kennzeichnet Onofrio Panvinio das Monument in anderer Weise, wenn er die Apsis der Kirche beschreibt: „Hier ist der Leib Christi mit dem Tempel und dem Leichnam des Kardinals Quiñones“ [Panvinio, Schedario, BAV, Vat. lat. 6781, f. 122 bis: „est ibi corpuis christi cum delubro et corpore cardinalis Guignonii“; vgl. Blaauw, Quiniones, S. 142].
Zur Kombination von Grabmal und Tabernakelretabel:
Gleichzeitig mit dem Projekt des Quiñones in S. Croce ließen die Testamentvollstrecker des Kardinals Willem van Enckevoirt, der kurz zuvor gestorben war (1534), in Santa Maria dell'Anima ein Grabmal errichten, das mit einem Sakramentstabernakel versehen werden sollte. Das Monument war als Pendant des gegenüberliegenden Papstgrabmals Hadrians VI., das Enckevoirt gestiftet hatte, konzipiert. Die beiden Grabmale sollten sich an den Seitenwänden des schmalen Presbyteriums gegenüberliegen und wären somit visuell dem Hauptaltar im Scheitel untergeordnet gewesen. Gräber, Tabernakel und Altar waren jedoch als Ensemble gedacht, und Enckevoirt veranlasste in seinem Testament auch den Bau eines neuen Hochaltars, dessen Reste in dem mit Enckevoirts Wappen ausgezeichneten Sockel des Retabels (1536-1540) noch sichtbar sind. Das Kardinalsgrabmal ist bis auf die Liegefigur verschollen, aber wir wissen, dass das Tabernakel oberhalb der Figur angebracht werden sollte und sein Aufbau dem Schema des Hadriangrabmals entsprochen hätte. Eine so enge Verknüpfung zwischen dem sepulkralen Hauptmotiv – dem Gisant – und dem Tabernakel gibt es in S. Croce nicht. Dagegen war das Tabernakelgrabmal in S. Maria dell'Anima nicht prominent in der Längsachse der Kirche aufgestellt. [Blaauw, Quiniones, S. 147]
Das in seiner Vorbildwirkung für Quiñones wohl wichtigste Grabmal, das ein Sakramentstabernakel integrierte und das Zentrum der Chorapsis einnahm, befand sich in der Della Rovere-Riario-Grablege in der Basilika SS. Apostoli (Abb. 5). Hier hatte Kardinal Giuliano della Rovere seit 1477 einen systematischen Umbau des Chores zur Grabkapelle seiner Familie veranlasst, wobei er das Grabmal seines Vaters Raffaele im Scheitel der Apsis anordnen ließ. Das Grabmal eines Laien - obwohl Bruder des regierenden Papstes - mit der Liegefigur des Toten, befand sich somit direkt hinter dem Hauptaltar, am traditionellen Ehrenplatz der päpstlichen Kathedra. Damit wurde zum ersten Mal eine Grabmaldisposition, wie sie in Kapellen nicht unüblich war, auf eine alte Stationskirche, das heißt, eine Kirche mit einer auf die Spätantike zurückgehenden Funktion in der päpstlichen Liturgie, übertragen. Diese ungewohnte Anordnung bekam einen liturgischen „Mehrwert“, indem sie verbunden wurde mit einem Sakramentstabernakel, das hier wahrscheinlich über dem Gisant in der Wand angebracht war. Man kann in diesem Eingriff zusammen mit der Aufstellung bzw. Planung anderer Monumentalgräber im liturgischen Herz der Kirche und in optischer Verbindung mit dem Hauptaltar nichts anderes sehen als die gewollte Auflösung eines uralten liturgisch-architektonischen Zusammenhangs zugunsten des Selbstdarstellungsbedürfnisses der Kardinalsdynastie. [Blaauw, Quiniones, S. 148-149]
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