Nov 012004
 

WWW-Rezension

REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit
von Gregor Horstkemper, 1. November 2004
HISTORICUM.NET – LINK WINK 44 / 2004
Resümee: Mit Hilfe eines komplexen Datenbanksystems werden Textinformationen und Bildmaterialen zur frühneuzeitlichen Sepulkralkultur der katholischen Kirche zugänglich gemacht.

Jul 062004
 

Artikel aus der Süddeutschen Zeitung Nr. 153, Seite 14, Dienstag, 6. Juli 2004
von

OLAF RADER

Roter Hut und rote Socken
Von den Würdenkrausen des Gewesenen:
Über den Totenkult der Päpste und die Hatz ums heilige Amt

„Zu klein, viel zu klein ist sie für mein Grab!“ So ungefähr könnte Papst Julius II. della Rovere (1503-1513) gestöhnt haben, als er über Alt-St.-Peter, dieses Jahrtausend an steingewordenen Traditionen, nachdachte und sich dort im Geiste seinen Begräbnisplatz erträumte. Michelangelo, den bedeutendsten Künstler des Abendlandes, hatte er dafür schon gewonnen.
Der Plan war gigantisch; so zumindest Vasari: Jedes kaiserliche Grabmal sollte es übertreffen, frei sollte es stehen und das anspruchsvollste Figurenensemble seit der Antike sollte es werden. Nur der architektonische Rahmen, die Konstantinsbasilika, sie war einfach zu klein dafür. Etwas Neues mußte her. So setzte Julius wegen seines Grabmaltraumes schließlich einen Abriß- und Bauprozeß in Gang, der nach über einem Jahrhundert zu der uns heute bekannten neuen Peterskirche führte.
Da mit dem Abriß der alten Kirche auch das Ensemble päpstlicher Grablegen des Mittelalters demontiert wurde, ging der Neuanfang der Bestattungspraxis mit einer Metamorphose der Papstgrabmäler zu Grabmonumenten einher. Die Selbstdarstellung und damit das Selbstverständnis des Papsttums hatte sich verändert, von nun wies es in eine neue Richtung.
Seit drei Jahren werden in dem von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekt „Requiem – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“ in Berlin und in Freiburg (Schweiz) unter der Leitung von Horst Bredekamp und Volker Reinhardt aufgenommen, katalogisiert und untersucht. Dabei geht es um kunsthistorische Grundsatzfragen, wie die eben skizzierte. Da das Projekt historisch-kunsthistorischen ausgerichtet ist, kann man in einer Datenbank (www.requiem-project.de) personengeschichtliche Daten über die Kardinäle der frühen Neuzeit, ihren familiären und klientelären Bindungen, ihre Karrieren, Einnahmen und Ämtern finden.
Die Geschichte einer frühmodernen Herrschaftselite ist so in exemplarischer Weise von ihren sozialen Strukturen her konstruierbar. Andererseits betrifft die Materialsammlung die erhaltenen Grablegen von Päpsten und Kardinälen, deren Gestalt, Entstehungszeitraum, Auftraggeber und die beteiligten Künstler. Ziel des Projektes ist es, Antworten auf scheinbar einfache Fragen zu finden, die in Rom beim Betrachten der barocken Papstgrabmäler in der neuen Kirche des Apostelfürsten Petrus trotz allen Augenjauchzens stets präsent bleiben: Warum das alles? Warum soviel Pracht, soviel feinste künstlerische Qualität? Und warum gerade hier?

Das Projekt „Requiem“

Erste Ergebnisse der Forschungen dieses Projekts liegen nun in drei Büchern vor, die von den Leitern und Mitarbeitern des „Requiem“-Projektes herausgegeben und auch teilweise erarbeitet wurden. In den Bänden dechiffrieren sie zusammen mit einer Reihe zusätzlich gewonnener Autoren die Formensprache der beeindruckenden Monumente aus Renaissance und Barock und versuchen, ihre Entstehungsbedingungen zu erschließen.
Nun sind Gräber zu allen Zeiten Haltepunkte der Erinnerungen gewesen, dienten sie natürlich als Verwahrort sterblicher Reste, doch ist ihre Bedeutung für die Lebenden im Sinne der Identifikation und Legitimation wichtiger. Das Papsttum allerdings hatte mit einer – in den Augen der Amtsinhaber – gräßlichen Konstruktionsschwäche zu ringen: Nach jedem Tode eine Pontifex rutschte seine Entourage von den gerade mühsam erkämpften und erkauften Positionen ins Nichts. Es gab keine dynastische Kontinuität, wie sie die anderen Herrscher in Europa für sich nutzten. Nach jeder Amtszeit begann das Spiel um Macht und Einfluß von Neuem. Deshalb sind gerade die Papstgräber in ihrer Spezifik so interessant. In den Bänden wird daher zu Recht großes Gewicht auf die besondere politische und gesellschaftliche Bedeutung der Grabmalskunst in Rom gelegt, die vor allem der Selbstdarstellung der herrschenden Eliten diente. Die Papstgräber waren letztendlich Legitimtionsstrategien von Herrschaft.
Wie sich die Pontifices oft mit Kunst aus den Krisen ihrer Zeit retteten oder in regelrechten Bilderkriegen ihre politischen Programme artikulierten, davon berichten diese höchst anregenden Beiträge. Und man kann außerdem den Bänden entnehmen, wie die Grabfiguren des Quatrocento noch ganz der Liegetradition der Gisants gehorchten, sich mit Julius II. irgendwie etruskisch aufzustützen begannen, um dann ein Jahrhundert später endlich zu thronen, die Segenshand imperial vorstreckend, wie bei Berninis Urban VIII. Barberini (1623 bis 1644). Und noch einmal ein Jahrhundert später gibt es sogar stehende Päpste, so etwa Braccis Benedikt XIV. Lambertini (1740 bis 1758). Ein weiter Bogen sozialgeschichtlich hinterfragter Kunstgeschichte wird hier äußerst spannend dargeboten.
Die Päpste selbst wurden auch in der Frühen Neuzeit vom Kardinalskollegium gewählt. Wie man überhaupt in dieser Zeit Kardinal wurde, erzählt ein anderes, sehr unterhaltsames, von Arne Karsten herausgegebenes Buch, das ebenfalls aus dem Projekt hervorging. Fünfzehn exemplarische Skizzen zeigen, wie Jagden nach dem roten Hut, zu dem übrigens auch rote Socken gehörten, das frühneuzeitliche Karrieremanagement geprägt haben. Es geht um siegessichere Kardinäle, die doch noch am ersehnten Pontifikat vorbeischrammten und um kuriale Karrieristen, an deren Schicksal das Spiel der großen europäischen Mächte ablesbar ist. Im Rom der Renaissance und des Barock empfand man die in kunstvolle Grabmäler investierten Mittel als gut angelegtes Geld. Das kann man von den Aufwendungen für das Forschungsprojekt „Requiem“ auch sagen, denn die vorgelegten Ergebnisse eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf scheinbar einfache Fragen und geben höchst unterhaltend Antworten auf die Zusammenhänge von Tod, Macht und Kunst.
Julius II., der Soldatenpapst, hatte Pech mit seinen Träumen. Nicht nur Konstantinopel und Jerusalem blieben unbefreit. Auch seine Vision vom eigenen Grabmal erfüllte sich nicht. Erst 1545, über dreißig Jahre nach seinem Tode, wurde es in stark verkleinerter Form vollendet. Und nicht einmal in St. Peter, sondern in seiner Kardinalskirche S. Pietro in Vincoli wurde das Grab errichtet. In der nun realisierten Größe hätte es vielleicht sogar in der alten Konstantinsbasilika Platz gehabt. Doch die war ja nun schon halb abgerissen. Die Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit konstruierter Erinnerung hatte sich auch für den Roverepapst trotz göttlicher Hilfe als unvorhersehbar erwiesen.

HORST BREDEKAMP, VOLKER REINHARDT (Hrsg. in Zusammenarb. mit Arne Karsten und Philipp Zitzlsperger): Totenkult und Wille zur Macht. Die unruhigen Ruhestätten der Päpste in St. Peter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, 255 S. mit zahlr. Abb., 49,90 Euro
ARNE KARSTEN, PHILIPP ZITZLSPERGER (Hrsg.): Tod und Verklärung, Grabmalskultur in der Frühen Neuzeit, Böhlau, Köln 2004, 312 S. mit zahlr. Abb., 39,90 Euro
ARNE KARSTEN (Hrsg.): Jagd nach dem roten Hut. Kardinalskarrieren im barocken Rom, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, 304 S. mit 9 Abb., 24,90 Euro

Jun 192004
 

PHILIPP ZITZLSPERGER UND A. KARSTEN (Hg.) 

Tod und Verklärung

Grabmalskultur in der Frühen Neuzeit

Tagungsakten des interdisziplinären Forschungskolloquiums in Schloß Blankensee bei Berlin vom 12. bis 14. September 2002.

Böhlau-Verlag, Köln/Wien/Weimar 2004.
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Jun 192004
 

HORST BREDEKAMP UND VOLKER REINHARDT (HG.), 

IN ZUSAMMENARBEIT MIT ARNE KARSTEN UND PHILIPP ZITZLSPERGER

Totenkult und Wille zur Macht.

Die unruhigen Ruhestätten der Päpste in St. Peter

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004.
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Jun 012004
 

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN 2004

12. Juni 2004 17-1 Uhr
Kunstgeschichtliches Seminar der HU
Dorotheenstraße 28 – Innenhof und EG

Kunst – Betrieb – Praxis

Während der ganzen Nacht Informationen zu den Datenbankprojekten des Kunstgeschichtlichen Seminars:

Census of Antique Works of Art and Architecture – www.census.de
Prometheuswww.prometheus-bildarchiv.de
REQUIEM Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der frühen Neuzeit – www.requiem-projekt.de

Jeweils zur vollen Stunde – Besucherberatung in Kunstfragen mit Kollegen des Seminars:
Auch Sie haben ein ‚Bild von Oma‘ oder ein ‚Schätzchen‘ im Regal, über das Sie schon immer mal genaueres wissen wollten? In der ‚Besucherberatung‘ werfen WissenschaftlerInnen des Seminars einen intensiven Blick darauf (keine Wertschätzungen!).

Jeweils zur halben Stunde – Film(ausschnitt)e mit Erläuterungen und Vorträge:
Kunst zum Ausprobieren, Mitmachen, Analysieren und Schwelgen. Künstler im Film und das Meisterwerk im Vortrag sind Themen unseres Abends.

17.30 Uhr
Architektur als Ausdruck des Bündnisses von Staat und Konzernen:
Peter Behrens‘ Deutsche Botschaft in St. Petersburg
(Vortrag, Lucas Elmenhorst)

18.30 Uhr
Der gelenkte Blick: Zu Alfred Hitchcocks Psycho
(Film, Kommentar Karin Dettmer)

19.30 Uhr
Dial History
(Film, Kommentar Carolin Behrmann)

20.30 / 21.30 Uhr
Caravaggio im Spielfilm. Wie „authentisch“ ist das Geschichtsbild?
(Film, Kommentar, Arne Karsten, Phillipp Zitzlsperger)
(Fachschaft)

22.30 Uhr
Tadeusz Kantor, Wielopole, Wielopole
(Film, Kommentar Ewa Kruppa)

23.30 Uhr
„Die Sonne wird dunkel und der Mond verliert seinen Schein“
Die Gestirne in spätmittelalterlichen Apokalypsedarstellungen
(Vortrag, Peter Knüvener)

0.30 Uhr
Tadeusz Kantor, Wielopole, Wielopole
(Film, Kommentar Ewa Kruppa)

17.00 bis 1.00 Uhr Essen, Trinken und Musik im Innenhof!

Mrz 012004
 

REQUIEM wird am 31. März 2004 drei Jahre alt –
Zeit, um ein kurzes Resümee und einen Ausblick zu wagen.

In Zusammenarbeit von Kunstgeschichtlichem Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin (Prof. Dr. Horst Bredekamp) und dem Historischen Institut der Universität Fribourg/Schweiz (Prof. Dr. Volker Reinhardt) werden die Grabmäler als kulturhistorische Quelle untersucht. Das methodische Vorgehen reicht in diesem umfassenden Rahmen von der werkimmanenten Stilanalyse bis zur Interpretation der soziohistorischen Entstehungsursachen der Grabmäler. Wurde das Grabmal bislang von der Wissenschaft vornehmlich als Memorialmonument verstanden, so verlagert das REQUIEM-Projekt den Schwerpunkt seiner Untersuchungen auf die Zukunftsorientierung gesellschaftlicher Gruppen, die das Grabmal unter den verschiedensten Aspekten der eigenen Statussicherung gezielt einsetzen.

Neben ihrer Form und Funktion ist die topographische und hierarchische Verteilung der Grabmonumente innerhalb der römischen Gesellschaft von hohem Interesse. Eine zentrale Fragestellung lautet mithin Wer setzt wann, wo und unter welchen Bedingungen wem ein Grabmal? Unter dieser Leitfrage haben wir im September 2002 eine Klausurtagung in Blankensee bei Berlin abgehalten, deren Ergebnisse in Kürze als Tagungsband erscheinen. Zudem sind in diesen Tagen zwei weitere Bücher des REQUIEM-Projekt erschienen einerseits eine Anthologie der Papstgrabmäler („Totenkult und Wille zur Macht“), andererseits eine Sammlung von Biographien zu Kardinälen der Frühneuzeit („Jagd nach dem roten Hut“), die als mikrohistorische Studien das bisweilen zwischen Heiligkeit und Korruption oszillierende „Berufsbild“ des Kardinals beleuchten (s. u.). Außerdem liegt nun eine Darstellung der Forschungsansätze des Projektes in englischer Sprache vor, die im Jahrbuch der Accademia di Danimarca „Analecta Romana. Instituti Danici, Bd. XXIX, Rom 2003, S.101-117“ erschienen ist.

Des weiteren freuen wir uns mitteilen zu können, daß die REQUIEM-Datenbank mittlerweile ihre technischen Kinderkrankheiten überwunden hat und reibungslos funktioniert. Inzwischen sind etwa 230 römische Kardinalsgrabmäler und prosopographische Daten zu 110 Kardinälen in die Datenbank eingespeist. Jeder Internetbenutzer kann die Datenbank (www.requiem-projekt.de) konsultieren und über die kombinierte Suchfunktion eine spezifische Datensuche ausführen lassen. Über Kritik sind wir ebenso dankbar, wie über jede Art von Zusammenarbeit (beispielsweise Datenkorrekturen und -austausch).

Schließlich ein Ausblick in die nähere Zukunft
Das REQUIEM-Projekt hofft von sich sagen zu können, daß es bereits nach drei Jahren einen für die kunsthistorische und historische Italienforschung belebenden Beitrag geleistet hat. Auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse ist eine dynamische Erweiterung des Projektes geplant. Die weiteren Ziele des REQUIEM-Projektes betreffen vor allem die Datenrecherche für die internetgestützte Datenbank und deren Auswertung. Mit der systematischen Aufarbeitung einzelner Kirchen wurde bereits begonnen. Dabei sind die Schwerpunkte vor allem auf das Quattrocento und das Settecento zu setzen, denn beide Jahrhunderte sind in bezug auf die Fragestellungen des REQUIEM-Projektes weitgehend unerforscht.