Jul 192009
 

Tagungsbericht „Das Grabmal des Günstlings“

für H-ArtHist von Laura Goldenbaum, Kunsthistorisches Institut in Florenz, 19. Juli 2009

Seit nunmehr acht Jahren beschäftigt sich das Forschungsprojekt „REQUIEM – Die Papst- und Kardinalsgräber der Frühen Neuzeit“, unter der Leitung von Horst Bredekamp (Berlin) und Volker Reinhardt (Fribourg), mit der quellenkundlichen Erfassung und Erforschung frühneuzeitlicher Papst- und Kardinalsgrabmäler. Darüber hinaus hat es beharrlich versucht, die Zusammenhänge zwischen dem Monument und seinem spezifisch kulturhistorischen Hintergrund, aber auch den jeweiligen gesellschaftlichen Figurationen herzustellen, von denen die Auftraggeberinteressen in so hohem Maße abhängen. Es ging nie allein um das nackte Objekt des Grabmals, sondern um eine Analyse seiner Struktureigenschaften, die die politischen Spielregeln frühneuzeitlicher Gesellschaften einsichtig machen.
Das Grabmal der vielschichtigen und nicht nur im klerikalen, sondern ebenso im weltlichen Herrschaftsbereich zu findenden Figur des Günstlings, deren Wesensart „redlich und aufrichtig seyn“ muss [1] und die in ihrem „äußeren Wohle in ganz besonderer Weise gefördert“ [2] und damit angreifbar wird, war Gegenstand der Tagung. In besonderem Maße spiegelt das Grabmonument die symbolische Funktion des Günstlings als ein Herrschaftsinstrument, seine Relevanz für den Staatsbildungsprozess und die Regentschaftsorganisation im Europa des 17./18. Jahrhunderts wider. Bindungslos, unermüdlich dienend und absolut loyal – letztlich vermochte niemand den hegemonialen Anspruch des Souveräns anschaulicher werden zu lassen als der Günstling selbst, ob gescheitert oder bis zu seinem Ende in hohen Ehren stehend.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte sich das Tagungskollegium als Ziel gesetzt, Elemente einer Typologie des Günstlingsgrabmals herauszuarbeiten und damit, über den Anspruch einer Bestandsaufnahme in Form von Einzelstudien hinaus, eine allgemeingültige Aussage über seine Formensprache treffen zu können. Das Bedürfnis, über ausgewählte, exemplarische Darstellungen den Zugang zu einer Übersicht, einer Kategorisierung von Merkmalen zu finden, zog sich als roter Faden durch das Programm und wurde vor allem in der Diskussion, im Anschluss an die Tagungsbeiträge, sinnstiftend. Vielfalt und Divergenz der zu berücksichtigenden Aspekte bei der Annäherung an ein Grabmal betonten jedoch oftmals eher Unterschiede und Widersprüche und verstellten häufig den Blick auf grundlegende Gemeinsamkeiten. Die Vielgestaltigkeit der gunstabhängenden Position, die sich ebenso im Formenreichtum der bildlichen Präsentation offenbart, macht die Komplexität dieser Thematik und die Schwierigkeit einer systematischen Annäherung offensichtlich.

Allein drei Abhängigkeitsmodalitäten lassen sich für den repräsentativen, darstellenswerten Habitus des Günstlings in Bezug auf sein Grabmal festmachen, die als Struktureigenschaften in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: Einerseits der Wunsch nach formaler Abgrenzung, geschuldet dem hohen Konkurrenz- und Bewährungsdruck und dem Schwebezustand permanenter Destabilisierung, andererseits der vor allem in den Inschriften aufscheinende soziale Weltbezug, den Status und Rang verdeutlichen, drittens die Affinität für objektivierte und allgemeingültige herrschaftlich konnotierte Formenmerkmale, die in sichtbarer und beständiger Weise die Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft und die Nähe zum Zentrum der Macht demonstrieren. In diesem Zusammenhang scheint auch die Sektionsbildung der Tagung nach geografischen Bezugspunkten logisch und konsequent.

Die erste Sektion „Frankreich“ eröffnete der Vortrag von Christine Tauber. Sie stellte das Grabmonument des einflussreichsten Beraters Charles V. und Kurienkardinals Jean de La Grange (um 1325/30-1402) vor, das vielleicht größte Grabmonument des gesamten Mittelalters. Die Selbststiftung als „legitimatorische Autobiographie post mortem“ könne in ihrer Prachtentfaltung, ihrer „hypertrophen und monarchistischen Ikonographie“, einer deutlichen Überinstrumentierung der Grabskulptur sowie der Bedeutungsüberlagerung des architektonischen Aufbaus mit zeitgenössischen Papstgrabmälern konkurrieren. Der übersteigerte Zeicheneinsatz wurde als ein Indiz für Legitimationsprobleme eines machtbewussten „homo novus“ erkannt, ein Phänomen, das besonders die Grabmonumente gescheiterter Günstlinge beträfe.
Gabriela Reuss sprach über das monumentale Grabmal Antoine Duprats, eines Protegés Papst Clemens VII. de‘ Medici (1523-1534) und gleichermaßen Favorit Franz‘ I., im Chor der Kathedrale Saint-Ètienne, im Machtzentrum seines Erzbistums Sens. Auffällig sei die Affinität zum Monumentalgrab, dessen Ikonographie an französische Königsgrablegen angelehnt ist. So sei das Monument Roberts I., mit seiner reliefierten Registerfront, das Vorbild für das Grabmal Jean de La Granges gewesen, während Antoine Duprats Grabmal jenes für Ludwig XII. reflektiere.
Sigrid Ruby widmete sich der massiven, zudem gedoppelten, memorialen Selbstinszenierung der Diane de Poitiers, Favoritin Heinrichs II. Das Lavierende, Austarierende der ikonographischen Bildmittel zeige gerade an diesem Beispiel sehr deutlich die heikle, besonders angreifbare Situation eines weiblichen Günstlings. Die Favoritin müsse dem unbedingten Grundsatz für den Habitus eines Günstlings schlechthin folgen, auf den Horst Bredekamp nachdrücklich verwies: „interesselos, treu, frei“ zu sein. Julian Blunks Vortrag über die Portalgrabmäler des Ehepaars Guillaume Fouquet de la Varenne beschloss die Frankreich-Sektion. In ihrer Disposition unmittelbar unterhalb der Herzgrabmäler ihrer Gönner Heinrich IV. und Maria von Medici, in der Jesuiten-Abtei La Flèche, erfüllen sie alle der drei entwickelten Kriterien für die Darstellungsmodalität von Günstlingsgräbern.

Die zweite Sektion „Der Kaiserhof und das Reich“ eröffnete Inga Brinkmanns Referat über Begräbnisrecht und Grabmalsetzung im würzburgischen Raum als Zeichen gegenreformatorischer Politik. Philipp Zitzlspergers Beitrag widmete sich dagegen den zwei ehrgeizigen und für das Habsburgische Reich singulär bleibenden Selbststiftungen, den Wandgrabmälern für Herz und Leichnam des gestürzten Günstlings Kaiser Matthias¹ und Kardinals Melchior Khlesl, im Stephansdom sowie im Dom der Wiener Neustadt, deren römisches Vorbild, das Wandgrabmal für den Kardinal Ottavio Bandini (1558-1629), ebenfalls ein Entwurf des Bildhauers und Bernini-Konkurrenten Giuliano Finelli, erstmals benannt werden konnte.
Mark Hengerer sprach über die Grablegen österreichischer Favoriten in Wien und Umgebung im 17./18. Jahrhundert und versuchte, den „Verschleierungsbegriff“ ‚Günstling‘ konkreter zu fassen, indem er signifikante „Günstlingsmerkmale“ zusammentrug sowie anhand einer Fülle von Beispielen unterschiedlichster Günstlingsgrablegen formale Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeitete. Indikatoren für Günstlingsgrabmäler sind demnach eine auffällig zur Schau gestellte Herrschernähe durch die Verortung des Monuments sowie dessen direkte Bezugnahme über Ikonographie und Formensprache.

Die Grundlage der memorialen Bildsprache innerhalb der folgenden Rom-Sektion war die besondere Herausstellung einer speziellen Herrschaftsnähe, die sich aus dem Spannungsverhältnis von Dynastiebildung und Wahlmonarchie der Päpste ergibt. Im Anschluss an Almuth Kleins Beitrag über die Grabkrypta Carlo Borromeos im Mailänder Dom widmete sich Thomas Pöpper dem heute nicht mehr erhaltenen Grabmal der Vanozza de‘ Catanei, Favoritin und Geliebte des Kardinals Rodrigo Borgia, 1492-1503 Papst Alexander VI., in S. Maria del Popolo in Rom.
Das Diktat der familiären Rollenerfüllung domestiziert die Funeralmonumente der normativ schwer fassbaren Gruppe der Kardinalnepoten im Rom der Frühen Neuzeit, so die Kernthese des Beitrags von Arne Karsten. Die Einflussnahme der Nepoten am päpstlichen Hof habe in aller Regel mit dem Tod des Familien-Pontifex geendet, vollkommen disfunktional wäre demnach die bewusste Setzung einer symbolischen Konkurrenz zum Papst, mittels eines eigenständigen Memorials für den oder die Neffen gewesen.

Dass Günstlingsgrabmäler an Aufwand und künstlerischer Qualität durchaus mit Königsgrablegen konkurrieren konnten, belegen nicht allein die Monumente aus dem französischen Raum. Die Relevanz der Herrschernähe, die auf konzeptioneller, formaler und ikonographischer Ebene explizit wird, erfuhr in Spanien jedoch eine Steigerung, aufgrund des kostbaren, herrschaftssymbolisch aufgeladenen Materialeinsatzes. So sprach Katrin Zimmermann über das ehrgeizige Grabmalsprojekt des Manuel de Zúñiga Acevedo y Fonseca, Graf von Monterrey, in Salamanca und Hillard von Thiessen über das prachtvolle Grabmonument des Kardinals Lerma von Pompeo Leoni aus vergoldeter Bronze, ein Werkstoff, der, bis auf wenige Ausnahmen, nur weltlichen herrschaftlichen Grabmälern vorbehalten war. Das anschließende Co-Referat Judith Ostermanns über das Grabmonument Alvaro de Lunas, gescheiterter und auf königlichen Befehl hingerichteter Günstling Johanns II., vermochte dieses Phänomen der imitatio regis noch einmal zu untermauern und gleichzeitig die gefährliche Gratwanderung jener Aneignung, ja Einverleibung der herrschaftsideologisch besetzten Symbolik deutlich zu machen.

Die Fülle an Beobachtungen und Überlegungen wurde am Ende der Tagung durch die zusammenfassenden Bemerkungen von Birgit Emich stringent gebündelt. Sie trennte drei große Themenbereiche der Tagungsbeiträge voneinander:
1) Bemühungen um eine Typologisierung des Günstlingsgrabmals, trotz der aufgezeigten Vielfalt des Materials und damit zusammenhängend, der gesellschaftlichen Gruppe des Günstlings der Frühen Neuzeit, eng geknüpft an eine, von Fall zu Fall zu entscheidende, notwendige Klärung des Verhältnisses von Individualität und Gruppenidentität.
2) Ansätze einer Herausarbeitung von Ikonographie sowie formaler Kriterien des Günstlingsgrabmals, das vor allem das Amt und den sozialen Status als Basis der Macht und der Nähe zum Herrscher, oftmals mit Hilfe von Inschriften, propagiert.
3) Die insgesamt etwas unterbelichtet gebliebene und sicher am schwersten zu beantwortende Frage nach der Funktion und der konkreten Bedingung der Grablegen. Wichtig in diesem Zusammenhang wäre die Klärung ihrer weitläufigen und vielseitigen zeremoniellen Einbindungsmöglichkeiten und ihrer rechtlichen Rahmenbeschränkungen: „Wo liegt die Krise begründet, auf die das Grabmal antwortet?“ – eine Frage, die sich am Ende der Tagung dringender denn je gestellt hat; kein geringer Erfolg.

Anmerkungen:
[1] Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopaedie oder Allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft, Berlin 1773-1868, Theil 20 (1780), S. 356.
[2] Johann August Eberhard: Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache, 17. Auflage, Leipzig 1910, Nr. 967.

H-ARTHIST – REV-CONF: Das Grabmal des Günstlings (L. Goldenbaum)

Jun 292009
 

Tagungsbericht Das Grabmal des Günstlings.

08.05.2009-09.05.2009, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 29.06.2009, .
Von Ruth Schilling, Institut für Geschichte der Medizin, Charité Berlin

Das Forschungsprojekt „REQUIEM – Die Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“, das bereits durch eine Reihe von Publikationen und Tagungen zum Thema frühneuzeitlicher Erinnerungskultur bekannt geworden ist, hatte Anfang Mai dieses Jahres zu einer Konferenz geladen, die sich einem besonderen Problem des Zusammenhangs zwischen Herrschaftslegitimation, -repräsentation und gebauter Memoria widmete: nämlich der Frage, wie und warum sich ‚Günstlinge‘ in welchen Grablegen darstellen ließen bzw. dargestellt wurden.

In seiner Begrüßung entwickelte HORST BREDEKAMP (Berlin), der zusammen mit Volker Reinhardt (Fribourg) REQUIEM leitet, noch einmal die erkenntnisleitenden Fragestellungen und methodischen Ansätze des Projektes. Er wies dabei in pointierter Form auf die Bedeutung der Grabmäler als „Kunst der Nachwelt“ hin, welche die Erinnerung an herausragende Familienangehörige instrumentalisiert, um den sozialen und politischen Status des Familienkollektivs zu sichern. ARNE KARSTEN (Berlin) wandte in seiner Einführung diesen Ansatz auf die historische Gruppe der Günstlingsgrabmäler an und skizzierte zuvor die historische Stellung, vor allem aber die politische Selbstdarstellung frühneuzeitlicher Günstlinge anhand zweier besonders bildmächtiger Beispiele von Günstlingsikonographie: nämlich des Titelblatts einer Rechtfertigungsschrift des spanischen Günstlingsminister Olivares, das den Protagonisten als nackten Atlas zeigt, und Pietro Aldobrandinis – des Kardinalnepoten Papst Clemens‘ VIII. (1592-1605) – verklausulierter Selbstdarstellung in ebendieser Rolle in seiner Villa in Frascati bei Rom. Der perfekte Günstling der Frühen Neuzeit, so Karsten, hatte möglichst ‚bindungslos‘ zu erscheinen, um seinem Herrscher vollkommen dienen zu können. Dass dieses Wunschbild mit der historischen Realität kollidierte, ja kollidieren musste, verlieh den „Imagekampagnen“ der Favoriten noch nach ihrem Tod besondere Bedeutung.

Die erste Sektion widmete sich französischen Beispielen. CHRISTINE TAUBER (München) deutete das Grabmal des Kardinals Jean de la Grange (um 1325/30-1402), der einer der einflussreichsten Berater Karls V. war, als eine „legitimatorische Autobiographie post mortem“. Dieses Beispiel eröffnete eine Reihe von Günstlingsgrabmälern, die es an Pracht und Aufwand mit königlichen Monumenten aufnehmen konnten: Der Katafalk umfasste circa 15 Meter Höhe und stellte eines der größten Grabmäler des gesamten Mittelalters dar. Der untere Teil des Grabmals diente der „möglichst effizienten Investition ins Seelenheil“, während auf den oberen fünf Registern die eigentliche legitimatorische „Autobiographie“ des Günstlings zu sehen war. GABRIELA REUSS (Paris) stellte zwei unterschiedliche Günstlingstypen und ihre Grablegen einander gegenüber, zum einen das Funeralmonument Antoine Duprats in der Kathedrale Saint-Etienne in Sens und zum anderen das Grabmal Anne de Montmorencys, eines Hochadeligen, der neben dem aus bürgerlicher Herkunft stammenden Antoine Duprat ein weiterer Favorit Franz‘ I. war. Wie Jean de la Grange scheute sich Antoine Duprat nicht, die Königsnähe zu Lebzeiten auch post mortem visualisieren zu lassen. Sein Grabmal nimmt direkt Bezug auf die Königsgrabmäler in Saint-Denis, insbesondere auf das Ludwigs XII. Einzigartig ist Duprats Grabmal durch das Fehlen jeglicher Anspielungen auf seine Familie sowie auf Tugendallegorien und Heiligenfiguren. Antoine Duprat wollte sich vielmehr in seinen geistlichen und weltlichen Ämtern erinnert wissen, ein Wunsch, den sein Sohn, der die Ausführung des Grabmals überwachte, teilte. Mit dieser Konzentration auf das Amt, so Reuss, versuchte die Familie, ihre labile Position zu stabilisieren: Mit Ausnahme des Verweises auf ihren Dienst für die Krone verfügten Duprat und seine Nachkommen aufgrund ihrer bürgerlichen Herkunft über keine symbolischen Ressourcen. Anne de Montmorencys Grabmal folgte einem denkbar anderen Formen- und Symbolkatalog: Der Favorit ließ sich als Krieger darstellen. De Montmorencys Herz wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Sohnes Franz‘ I, Heinrichs II, neben dem seinigen bestattet.

SIGRID RUBY (München/Marburg) beleuchtete in ihrem Vortrag das Problem der Repräsentation weiblicher ‚Günstlinge‘. Diane de Poitiers, kunstfördernde Geliebte Heinrichs II., propagierte zu Lebzeiten zwei recht unterschiedliche Grabmalsprojekte. Auf dem Monument zu Ehren ihres Ehemanns in der Kathedrale von Rouen betonte sie dessen Verdienste um die Krone, wohl auch mit dem Ziel, sein Erbe zu sichern. Hier ließ sie sich am Kopfende des verstorbenen Gatten aufrecht als trauernde Witwe darstellen. Im Schloss von Anet, dem Sitz der Familie ihres Ehemannes, ist Diane de Poitiers in ihrem eigenen Grabmal in Herzoginnentracht dargestellt. Ihre tief ins Gebet versunkene Pose unterstreicht ihre Frömmigkeit, die Tracht ihren Adelsstatus. JULIAN BLUNK (Berlin) zeigte in seinem Beitrag zum Grabmal des Guillaume Fouquets de la Varenne, der es unter Heinrich IV. vom Koch zum Oberaufseher über das königliche Post- und teilweise auch Finanzwesen gebracht hatte, wie aufschlussreich die Beziehung zwischen einzelnem Grabmal, Raumgestaltung sowie zeremonieller und diskursiver Rezeption für die Entschlüsselung der Günstlingsmemoria ist.

OLAF RADER (Berlin), der die Sektion zum Reich moderierte, zog eine Zwischenbilanz der Tagung. Auch wenn das Phänomen ‚Günstling‘ an sich von der Antike bis in das 21. Jahrhundert reiche, so werde doch in der Frühen Neuzeit eine besondere Beziehung zwischen der Bedeutung des Günstlings im Staatsbildungsprozess und der Nutzung künstlerischer Ressourcen zu seiner Repräsentation erkennbar. Genau diese Thematik griff auch INGA BRINKMANN (Berlin) in ihrem Beitrag zu „Grabmonumenten als Zeichen gegenreformatorischer Politik im Umfeld Julius Echters von Mespelbrunn“ auf. Wie MARK HENGERER (Paris), der sich den „Grablegen österreichischer Günstlinge in Wien im 17. und 18. Jahrhundert“ widmete, konzentrierte sich Inga Brinkmann auf die Stein gewordene Memoria einer Gruppe, nämlich den von Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn als Amtmännern eingesetzten Verwandten. Die Grabmalssetzung an markanten Dom- und Wallfahrtskirchen des Hochstifts zeigt dabei in geradezu idealtypischer Weise das Ineinandergreifen konfessioneller und territorialer Herrschaftsdurchdringung. Irritierend hierbei war nur, dass sich die Grablegen der Mespelbrunnischen Amtmänner einer durch und durch lutherischen Formensprache bedienten – bewusste und triumphierende Übernahme einer konfessionell geprägten Symbolik oder schlicht und ergreifend regionale Besonderheit? Der konfessionelle Faktor spielte in den von Mark Hengerer in beeindruckender Fülle gezeigten Beispielen eine eher untergeordnete Rolle. Die Verteilung von Grabmälern in Wien lässt sich eher mit Strukturen der Beziehung zwischen Adel und Hof in Verbindung bringen: Ein ‚Günstlingsgrabmal‘ in der Hauptstadt entstand nur dann, wenn die beiden anderen, den Status prägenden Faktoren, Adel und Familie, an Bedeutung verloren und die Bindung an den Kaiser Priorität gewann. PHILIPP ZITZLSPERGER (Berlin) befasste sich eingehend mit einer der bekanntesten Figuren der Reichsgeschichte des frühen 17. Jahrhunderts, nämlich Melchior Kardinal Khlesl. Dieser hatte ungeachtet seiner doch nicht unerheblichen politischen Schwierigkeiten bereits zu Lebzeiten eine äußerst prachtvolle und künstlerisch niveauvolle Grablegung für Herz und Körper im Dom der Wiener Neustadt und im Stephansdom geplant. Für die jeweils nur durch die Inschriften unterschiedenen Grabmäler hatte er sich an seinem Freund und Vorbild Kardinal Ottavio Bandini orientiert und wie dieser eine Porträtbüste bei dem Bernini-Konkurrenten Giuliano Finelli bestellt. Beide Memoriamonumente in Rom und in Wien nähern sich stilistisch und formal so weit wie möglich einander an.

In der Sektion zu Rom dominierte ein spezielles Verhältnis von Herrschaftslegitimation und Dynastiebildung das Nachforschen nach Bildersprachen der Herrschaftsnähe, nämlich die geistlich-politische Wahlmonarchie der Päpste. ALMUTH KLEIN (Nürnberg) interpretierte die Grabkrypta Carlo Borromeos im Mailänder Dom als Repräsentationsstrategie seines Neffen Federico Borromeos, der sich selbst nur in Form einer schlichten Grabplatte verewigte. Das Grab Carlo Borromeos sollte seine Heiligsprechung und damit die Schaffung eines ‚Hausheiligen‘ der Borromei befördern. THOMAS PÖPPER (Leipzig) deutete das Grabmal der Vanozza da Catanei als Teil einer visuellen Repräsentation einer Günstlingsdynastie. Wie schon in der Darstellung Diane de Poitiers wird die Herrschernähe verschwiegen und im Falle der da Catanei nicht durch Verweise auf ihre immerhin vier Ehemänner kompensiert. Vanozza da Catanei ließ sich in einer monumentalen Inschrift als Mutter feiern und als eine Frau, die sich durch Rechtschaffenheit, Frömmigkeit und Tugend hervorhob. ARNE KARSTEN (Berlin) konnte in seinem Beitrag zu den „Gräbern der Nepoten“ aus dem reichhaltigen Materialfundus schöpfen, den das REQUIEM-Projekt mittels seiner Datenbank zu Grabmälern und Kardinalskarrieren der Frühen Neuzeit auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Eine Übersicht über die Gräber der Papstverwandten ergab den nur auf den ersten Blick überraschend anmutenden Befund, dass die meisten Nepoten – spektakuläre Ausnahmen bestätigen hier die Regel – über keine eigenständige Repräsentation in Form von Grabmälern verfügten oder, falls doch, sie teilweise mit hundertjähriger Verzögerung in Angriff genommen wurde, um den Nachkommen Karrierevorteile zu sichern.

Die Sektion zu Spanien zeigte vergleichbar zu den französischen Beispielen die Bedeutung der Königsnähe für die Repräsentation der Günstlinge. Daneben ergaben sich aber auch einige Besonderheiten, so zum Beispiel die symbolisch hochgradig aufgeladene Zeremonial- und Materialsprache der Grabmalsfiguren. HILLARD VON THIESSEN (Köln) zeigte dies anschaulich am Beispiel Kardinal Lermas, Günstling-Minister Philipps III. In vergoldeter Bronze und naturalistisch reicher Gewandung ließ Lerma nicht nur seinen Status als Duque hervorheben, sondern imitierte auch die von Philipp III. und seiner Familie gegossenen Skulpturen. In einem Co-Referat zeigte JUDITH OSTERMANN (Berlin), welche Grenzen der Imitatio regis gesetzt waren: Alvaro de Luna, Günstling Johanns II., gelang es nicht, sein erstes Grabmal, das ihn auf einem Thron zeigte, zu erhalten. Nachdem er auf königlichen Befehl hin hingerichtet worden war, wurde er ehrenvoll bestattet und noch ehrenvoller memoriert. KATRIN ZIMMERMANN (Würzburg) wandte den Fokus weg von einem Günstlings-Minister hin zu einem Mitglied einer ‚Ministerfamilie‘: Ihr Beitrag widmete sich dem Grabmal des Vizekönigs von Neapel, des Grafen von Monterrey, in Salamanca. Auch er kompensierte eine umstrittene politische Stellung durch königlich zu nennenden Prachtaufwand.

BIRGIT EMICH (Freiburg) fasste die Ergebnisse der Tagung unter zwei Leitthemen zusammen, nämlich zum einen der Frage nach einer Typologie des Günstlings und zum anderen nach einer Typologie des Günstlingsgrabmals. Das typisch Frühneuzeitliche am an sich zeitlos zu nennenden Phänomen ‚Günstling‘ schien ihr die Verbindung mit bestimmten politisch-administrativen Funktionen, eine Verbindung, die besonders markant in den französischen und spanischen ‚Günstlings-Ministern‘ zum Ausdruck kommt. Hier lassen sich, so Emich, wiederum zwei Entwicklungsstufen voneinander unterscheiden, nämlich erstens die Rechtfertigung politischer Partizipation aufgrund der dynastischen Herkunft und, damit eng verbunden, dem jeweiligen Adelsstatus. Nach und neben dieser Form der Herrschernähe wurden die Amtsträger immer wichtiger, die aufgrund ihrer Kenntnisse und nicht primär aufgrund ihrer Herkunft dem Herrscher das Regieren ermöglichten. Frauen sind daher zwangsläufig bei einer Tagung zu Günstlingsgrabmälern unterrepräsentiert, konnten sie sich doch nur in der älteren Form der (nicht formalisierten) Zurechnung zum Haushalt des Herrschers als ‚Günstling‘ profilieren und nicht als Amtsträgerinnen. Die Ikonographie der Günstlingsgrabmäler entspricht diesem differenzierten Bild nur bedingt. So ist auffällig, dass Rang und Status dominieren. Die Amtsführung selbst wird eigentlich nur dann thematisiert, wenn ihr Scheitern überspielt werden soll. Dies hängt mit der Funktion der Grabmäler als Mittel zur Rehabilitation und Patrimoniumssicherung im Interesse der Nachkommen zusammen. Sie sind daher wohl auch immer als Zeugnisse einer bestimmten, häufig eher krisenhaft zu nennenden Einzelsituation, zu interpretieren. Eine große Forschungslücke, die auch auf der Tagung nicht hinreichend thematisiert worden sei, so Emich, bestehe in der Frage nach der Rezeption der Gräber. War ihr Geltungsanspruch erfolgreich? Für wie lange? Wie war ihre zeremonielle Anbindung? Wer veranlasste ihre Dokumentation? Damit hängt außerdem zusammen, dass bei ihrer Interpretation die Eigenständigkeit des Kunstwerks im Medium Raum beachtet werden müsse. Insgesamt habe die Tagung einen wichtigen Beitrag zur Weiterführung von Kategorien zur präziseren Erfassung des Zusammenhangs zwischen politisch-staatlichem Wandel und der Rolle der visuellen Repräsentation geleistet.

H-Soz-u-Kult – Tagungsbericht – Das Grabmal des Günstlings – von Ruth Schilling

Mai 012009
 

Das Grabmal des Günstlings
Tagung des Forschungsprojekts „REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“ am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
08. und 09. Mai 2009
Heilig-Geist-Kapelle
Spandauer Strasse 1
10178 Berlin

Die Gestalt des Günstlings als konstitutives Element frühneuzeitlicher Herrschaftspraxis ist verstärkt in den Fokus der historischen Forschung geraten. Dabei wurde die in der Vergangenheit häufig anzutreffende moralische Verurteilung des „Favoriten“ aufgegeben, zugunsten einer sachlichen Analyse seiner Rolle im Rahmen von Herrschaftsorganisation und Staatsbildungsprozess im Europa des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die Figur des (häufig, aber nicht immer) aus vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen stammenden Höflings, der zum einflussreichen, oftmals die Linien der „großen“ Politik bestimmenden, das exklusive Vertrauen eines Herrschers besitzenden Günstling aufsteigt, findet sich in zahlreichen Varianten und tritt in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten auf.

Aufstieg und Fall des Günstlings und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen sind inzwischen in einer Vielzahl von Einzelstudien untersucht worden, ebenso die Rolle von Günstlingen als Förderer von Kunst und Kultur. Hingegen stellt die (Selbst-)Darstellung der Favoriten nach ihrem Tod, nämlich in Gestalt des Grabmals, bisher einen blinden Fleck der Forschung dar. Ziel der REQUIEM- Tagung ist es, in einem ersten Schritt zu einer Bestandsaufnahme zu kommen: Wo ließen sich Günstlinge in welcher Form bestatten? Es geht darum, die Erinnerungspraxis sowohl im Hinblick auf langfristig erfolgreiche, wie auch auf gescheiterte, gestürzte Favoriten zu untersuchen. Darauf aufbauend soll der Versuch unternommen werden, Elemente einer „Typologie des Günstlingsgrabmals“ zu entwickeln.

Informationen und Programm:
Tagungsprogramm – Das Grabmal des Günstlings (PDF)

Programm

Freitag, 8. Mai 2009

13.00 Uhr Horst Bredekamp: Begrüßung
13.15 Uhr Arne Karsten: Einführung

Frankreich (Diskussionsleitung: Horst Bredekamp)

13.45 Uhr Christine Tauber (Bonn): Homo novus zwischen König und Kurie: Das Grabmal des Kardinals Jean de la Grange als legitimatorische Autobiographie post mortem
14.45 Uhr Gabriela Reuss (Paris): Celui qui fixait le plus l’attention. Das Grabmal Antoine Duprats in der Kathedrale Saint- Étienne in Sens
15.45 Uhr Kaffeepause
16.15 Uhr Sigrid Ruby (Gießen): Die Favoritin und ihr Ehemann: Die Grabmäler von Diane de Poitiers
17.15 Uhr Julian Blunk (Berlin): Das Grabmal des Guillaume Fouquet de la Varenne, oder: St. Louis vs. St. Denis
18.30 Uhr Umtrunk

Samstag, 9. Mai 2009

Der Kaiserhof und das Reich (Diskussionsleitung: Olaf B. Rader)

09.00 Uhr Inga Brinkmann (Berlin): Vetternwirtschaft, Begräbnisrecht und Grabmalssetzung. Grabmonumente als Zeichen gegenreformatorischer Politik im Umfeld Julius Echters von Mespelbrunn, Fürstbischof zu Würzburg
10.00 Uhr Philipp Zitzlsperger (Berlin): Die Grabmonumente des österreichischen Kardinals Melchior Khlesl
11.00 Uhr Kaffeepause
11.30 Uhr Mark Hengerer (Paris): Die Grablegen österreichischer Günstlinge in Wien im 17. und 18. Jahrhundert

Rom (Diskussionsleitung: Benjamin Paul)

12.30 Uhr Almuth Klein (Nürnberg): Vom Gönner zum Günstling. Das Grab Carlo Borromeos in der Krypta des Mailänder Doms
13.30 Uhr Mittagspause (Büffet)
15.00 Uhr Thomas Pöpper (Leipzig): Das Grabmal der Vanozza da Catanei
16.00 Uhr Arne Karsten (Berlin): Die Gräber der Nepoten
17.00 Uhr Kaffeepause

Spanien (Diskussionsleitung: Birgit Emich)

17.30 Uhr Hillard v. Thiessen (Köln): Das Grabmal des Günstlings und Kardinal Lerma / Co-Referat: Judith Ostermann (Berlin): Aufstieg und Fall des Alvaro de Luna im Spiegel seines Grabmals
18.30 Uhr Katrin Zimmermann (Würzburg): Das Grabmal des Grafen von Monterrey in Salamanca – ein Mitglied der Olivares-Familie behauptet seinen Machtanspruch

Jan 012009
 

REQUIEM – Werkstattgespräche 2009

Treffpunkt: 18:00 Uhr im REQUIEM-Büro, Dorotheenstr. 28, 1. OG, 10117 Berlin
Vortrag: 18:15 Uhr, Raum 310

Termine:

Do 15.10., 18 Uhr c.t.
Ruth Slenczka (Berlin)
Lebensgroß hinter Glas: Luthers Grabplatte in Jena 1571 als „protestantische Reliquie“

Di 10.11., 18 Uhr c.t.
Regine Deckers (Berlin)
Rezeption der Ver- und Enthüllung am Grabmal im 18. Jahrhundert zwischen Neapel und Wien

Do 19.11., 18 Uhr c.t.
Minou Schraven (Leiden)
Securing the Memory of Sixtus V. Burials and Reburials in the Sistine Chapel in S. Maria Maggiore 1588-1591

Mi 02.12., 18 Uhr c.t.
Piers Baker-Bates (London)
Maestate suae quam commendatissum: the sixteenth century Colonna Cardinals and Spain

Di 08.12., 18 Uhr c.t.
Claudia Denk/ John Ziesemer (München)
Der Alte Südliche Friedhof in München: Vom Gottesacker zum ‚öffentlichen Ehrenplatze‘

Di 19.01.2010, 18 Uhr c.t.
Carol Richardson (Milton Keynes)
Tombs of popes and cardinals in fifteenth century Rome: funerals in stone?

REQUIEM Werkstattgespräche 2009 – PDF