Jun 292009
 

Tagungsbericht Das Grabmal des Günstlings.

08.05.2009-09.05.2009, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 29.06.2009, .
Von Ruth Schilling, Institut für Geschichte der Medizin, Charité Berlin

Das Forschungsprojekt „REQUIEM – Die Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“, das bereits durch eine Reihe von Publikationen und Tagungen zum Thema frühneuzeitlicher Erinnerungskultur bekannt geworden ist, hatte Anfang Mai dieses Jahres zu einer Konferenz geladen, die sich einem besonderen Problem des Zusammenhangs zwischen Herrschaftslegitimation, -repräsentation und gebauter Memoria widmete: nämlich der Frage, wie und warum sich ‚Günstlinge‘ in welchen Grablegen darstellen ließen bzw. dargestellt wurden.

In seiner Begrüßung entwickelte HORST BREDEKAMP (Berlin), der zusammen mit Volker Reinhardt (Fribourg) REQUIEM leitet, noch einmal die erkenntnisleitenden Fragestellungen und methodischen Ansätze des Projektes. Er wies dabei in pointierter Form auf die Bedeutung der Grabmäler als „Kunst der Nachwelt“ hin, welche die Erinnerung an herausragende Familienangehörige instrumentalisiert, um den sozialen und politischen Status des Familienkollektivs zu sichern. ARNE KARSTEN (Berlin) wandte in seiner Einführung diesen Ansatz auf die historische Gruppe der Günstlingsgrabmäler an und skizzierte zuvor die historische Stellung, vor allem aber die politische Selbstdarstellung frühneuzeitlicher Günstlinge anhand zweier besonders bildmächtiger Beispiele von Günstlingsikonographie: nämlich des Titelblatts einer Rechtfertigungsschrift des spanischen Günstlingsminister Olivares, das den Protagonisten als nackten Atlas zeigt, und Pietro Aldobrandinis – des Kardinalnepoten Papst Clemens‘ VIII. (1592-1605) – verklausulierter Selbstdarstellung in ebendieser Rolle in seiner Villa in Frascati bei Rom. Der perfekte Günstling der Frühen Neuzeit, so Karsten, hatte möglichst ‚bindungslos‘ zu erscheinen, um seinem Herrscher vollkommen dienen zu können. Dass dieses Wunschbild mit der historischen Realität kollidierte, ja kollidieren musste, verlieh den „Imagekampagnen“ der Favoriten noch nach ihrem Tod besondere Bedeutung.

Die erste Sektion widmete sich französischen Beispielen. CHRISTINE TAUBER (München) deutete das Grabmal des Kardinals Jean de la Grange (um 1325/30-1402), der einer der einflussreichsten Berater Karls V. war, als eine „legitimatorische Autobiographie post mortem“. Dieses Beispiel eröffnete eine Reihe von Günstlingsgrabmälern, die es an Pracht und Aufwand mit königlichen Monumenten aufnehmen konnten: Der Katafalk umfasste circa 15 Meter Höhe und stellte eines der größten Grabmäler des gesamten Mittelalters dar. Der untere Teil des Grabmals diente der „möglichst effizienten Investition ins Seelenheil“, während auf den oberen fünf Registern die eigentliche legitimatorische „Autobiographie“ des Günstlings zu sehen war. GABRIELA REUSS (Paris) stellte zwei unterschiedliche Günstlingstypen und ihre Grablegen einander gegenüber, zum einen das Funeralmonument Antoine Duprats in der Kathedrale Saint-Etienne in Sens und zum anderen das Grabmal Anne de Montmorencys, eines Hochadeligen, der neben dem aus bürgerlicher Herkunft stammenden Antoine Duprat ein weiterer Favorit Franz‘ I. war. Wie Jean de la Grange scheute sich Antoine Duprat nicht, die Königsnähe zu Lebzeiten auch post mortem visualisieren zu lassen. Sein Grabmal nimmt direkt Bezug auf die Königsgrabmäler in Saint-Denis, insbesondere auf das Ludwigs XII. Einzigartig ist Duprats Grabmal durch das Fehlen jeglicher Anspielungen auf seine Familie sowie auf Tugendallegorien und Heiligenfiguren. Antoine Duprat wollte sich vielmehr in seinen geistlichen und weltlichen Ämtern erinnert wissen, ein Wunsch, den sein Sohn, der die Ausführung des Grabmals überwachte, teilte. Mit dieser Konzentration auf das Amt, so Reuss, versuchte die Familie, ihre labile Position zu stabilisieren: Mit Ausnahme des Verweises auf ihren Dienst für die Krone verfügten Duprat und seine Nachkommen aufgrund ihrer bürgerlichen Herkunft über keine symbolischen Ressourcen. Anne de Montmorencys Grabmal folgte einem denkbar anderen Formen- und Symbolkatalog: Der Favorit ließ sich als Krieger darstellen. De Montmorencys Herz wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Sohnes Franz‘ I, Heinrichs II, neben dem seinigen bestattet.

SIGRID RUBY (München/Marburg) beleuchtete in ihrem Vortrag das Problem der Repräsentation weiblicher ‚Günstlinge‘. Diane de Poitiers, kunstfördernde Geliebte Heinrichs II., propagierte zu Lebzeiten zwei recht unterschiedliche Grabmalsprojekte. Auf dem Monument zu Ehren ihres Ehemanns in der Kathedrale von Rouen betonte sie dessen Verdienste um die Krone, wohl auch mit dem Ziel, sein Erbe zu sichern. Hier ließ sie sich am Kopfende des verstorbenen Gatten aufrecht als trauernde Witwe darstellen. Im Schloss von Anet, dem Sitz der Familie ihres Ehemannes, ist Diane de Poitiers in ihrem eigenen Grabmal in Herzoginnentracht dargestellt. Ihre tief ins Gebet versunkene Pose unterstreicht ihre Frömmigkeit, die Tracht ihren Adelsstatus. JULIAN BLUNK (Berlin) zeigte in seinem Beitrag zum Grabmal des Guillaume Fouquets de la Varenne, der es unter Heinrich IV. vom Koch zum Oberaufseher über das königliche Post- und teilweise auch Finanzwesen gebracht hatte, wie aufschlussreich die Beziehung zwischen einzelnem Grabmal, Raumgestaltung sowie zeremonieller und diskursiver Rezeption für die Entschlüsselung der Günstlingsmemoria ist.

OLAF RADER (Berlin), der die Sektion zum Reich moderierte, zog eine Zwischenbilanz der Tagung. Auch wenn das Phänomen ‚Günstling‘ an sich von der Antike bis in das 21. Jahrhundert reiche, so werde doch in der Frühen Neuzeit eine besondere Beziehung zwischen der Bedeutung des Günstlings im Staatsbildungsprozess und der Nutzung künstlerischer Ressourcen zu seiner Repräsentation erkennbar. Genau diese Thematik griff auch INGA BRINKMANN (Berlin) in ihrem Beitrag zu „Grabmonumenten als Zeichen gegenreformatorischer Politik im Umfeld Julius Echters von Mespelbrunn“ auf. Wie MARK HENGERER (Paris), der sich den „Grablegen österreichischer Günstlinge in Wien im 17. und 18. Jahrhundert“ widmete, konzentrierte sich Inga Brinkmann auf die Stein gewordene Memoria einer Gruppe, nämlich den von Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn als Amtmännern eingesetzten Verwandten. Die Grabmalssetzung an markanten Dom- und Wallfahrtskirchen des Hochstifts zeigt dabei in geradezu idealtypischer Weise das Ineinandergreifen konfessioneller und territorialer Herrschaftsdurchdringung. Irritierend hierbei war nur, dass sich die Grablegen der Mespelbrunnischen Amtmänner einer durch und durch lutherischen Formensprache bedienten – bewusste und triumphierende Übernahme einer konfessionell geprägten Symbolik oder schlicht und ergreifend regionale Besonderheit? Der konfessionelle Faktor spielte in den von Mark Hengerer in beeindruckender Fülle gezeigten Beispielen eine eher untergeordnete Rolle. Die Verteilung von Grabmälern in Wien lässt sich eher mit Strukturen der Beziehung zwischen Adel und Hof in Verbindung bringen: Ein ‚Günstlingsgrabmal‘ in der Hauptstadt entstand nur dann, wenn die beiden anderen, den Status prägenden Faktoren, Adel und Familie, an Bedeutung verloren und die Bindung an den Kaiser Priorität gewann. PHILIPP ZITZLSPERGER (Berlin) befasste sich eingehend mit einer der bekanntesten Figuren der Reichsgeschichte des frühen 17. Jahrhunderts, nämlich Melchior Kardinal Khlesl. Dieser hatte ungeachtet seiner doch nicht unerheblichen politischen Schwierigkeiten bereits zu Lebzeiten eine äußerst prachtvolle und künstlerisch niveauvolle Grablegung für Herz und Körper im Dom der Wiener Neustadt und im Stephansdom geplant. Für die jeweils nur durch die Inschriften unterschiedenen Grabmäler hatte er sich an seinem Freund und Vorbild Kardinal Ottavio Bandini orientiert und wie dieser eine Porträtbüste bei dem Bernini-Konkurrenten Giuliano Finelli bestellt. Beide Memoriamonumente in Rom und in Wien nähern sich stilistisch und formal so weit wie möglich einander an.

In der Sektion zu Rom dominierte ein spezielles Verhältnis von Herrschaftslegitimation und Dynastiebildung das Nachforschen nach Bildersprachen der Herrschaftsnähe, nämlich die geistlich-politische Wahlmonarchie der Päpste. ALMUTH KLEIN (Nürnberg) interpretierte die Grabkrypta Carlo Borromeos im Mailänder Dom als Repräsentationsstrategie seines Neffen Federico Borromeos, der sich selbst nur in Form einer schlichten Grabplatte verewigte. Das Grab Carlo Borromeos sollte seine Heiligsprechung und damit die Schaffung eines ‚Hausheiligen‘ der Borromei befördern. THOMAS PÖPPER (Leipzig) deutete das Grabmal der Vanozza da Catanei als Teil einer visuellen Repräsentation einer Günstlingsdynastie. Wie schon in der Darstellung Diane de Poitiers wird die Herrschernähe verschwiegen und im Falle der da Catanei nicht durch Verweise auf ihre immerhin vier Ehemänner kompensiert. Vanozza da Catanei ließ sich in einer monumentalen Inschrift als Mutter feiern und als eine Frau, die sich durch Rechtschaffenheit, Frömmigkeit und Tugend hervorhob. ARNE KARSTEN (Berlin) konnte in seinem Beitrag zu den „Gräbern der Nepoten“ aus dem reichhaltigen Materialfundus schöpfen, den das REQUIEM-Projekt mittels seiner Datenbank zu Grabmälern und Kardinalskarrieren der Frühen Neuzeit auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Eine Übersicht über die Gräber der Papstverwandten ergab den nur auf den ersten Blick überraschend anmutenden Befund, dass die meisten Nepoten – spektakuläre Ausnahmen bestätigen hier die Regel – über keine eigenständige Repräsentation in Form von Grabmälern verfügten oder, falls doch, sie teilweise mit hundertjähriger Verzögerung in Angriff genommen wurde, um den Nachkommen Karrierevorteile zu sichern.

Die Sektion zu Spanien zeigte vergleichbar zu den französischen Beispielen die Bedeutung der Königsnähe für die Repräsentation der Günstlinge. Daneben ergaben sich aber auch einige Besonderheiten, so zum Beispiel die symbolisch hochgradig aufgeladene Zeremonial- und Materialsprache der Grabmalsfiguren. HILLARD VON THIESSEN (Köln) zeigte dies anschaulich am Beispiel Kardinal Lermas, Günstling-Minister Philipps III. In vergoldeter Bronze und naturalistisch reicher Gewandung ließ Lerma nicht nur seinen Status als Duque hervorheben, sondern imitierte auch die von Philipp III. und seiner Familie gegossenen Skulpturen. In einem Co-Referat zeigte JUDITH OSTERMANN (Berlin), welche Grenzen der Imitatio regis gesetzt waren: Alvaro de Luna, Günstling Johanns II., gelang es nicht, sein erstes Grabmal, das ihn auf einem Thron zeigte, zu erhalten. Nachdem er auf königlichen Befehl hin hingerichtet worden war, wurde er ehrenvoll bestattet und noch ehrenvoller memoriert. KATRIN ZIMMERMANN (Würzburg) wandte den Fokus weg von einem Günstlings-Minister hin zu einem Mitglied einer ‚Ministerfamilie‘: Ihr Beitrag widmete sich dem Grabmal des Vizekönigs von Neapel, des Grafen von Monterrey, in Salamanca. Auch er kompensierte eine umstrittene politische Stellung durch königlich zu nennenden Prachtaufwand.

BIRGIT EMICH (Freiburg) fasste die Ergebnisse der Tagung unter zwei Leitthemen zusammen, nämlich zum einen der Frage nach einer Typologie des Günstlings und zum anderen nach einer Typologie des Günstlingsgrabmals. Das typisch Frühneuzeitliche am an sich zeitlos zu nennenden Phänomen ‚Günstling‘ schien ihr die Verbindung mit bestimmten politisch-administrativen Funktionen, eine Verbindung, die besonders markant in den französischen und spanischen ‚Günstlings-Ministern‘ zum Ausdruck kommt. Hier lassen sich, so Emich, wiederum zwei Entwicklungsstufen voneinander unterscheiden, nämlich erstens die Rechtfertigung politischer Partizipation aufgrund der dynastischen Herkunft und, damit eng verbunden, dem jeweiligen Adelsstatus. Nach und neben dieser Form der Herrschernähe wurden die Amtsträger immer wichtiger, die aufgrund ihrer Kenntnisse und nicht primär aufgrund ihrer Herkunft dem Herrscher das Regieren ermöglichten. Frauen sind daher zwangsläufig bei einer Tagung zu Günstlingsgrabmälern unterrepräsentiert, konnten sie sich doch nur in der älteren Form der (nicht formalisierten) Zurechnung zum Haushalt des Herrschers als ‚Günstling‘ profilieren und nicht als Amtsträgerinnen. Die Ikonographie der Günstlingsgrabmäler entspricht diesem differenzierten Bild nur bedingt. So ist auffällig, dass Rang und Status dominieren. Die Amtsführung selbst wird eigentlich nur dann thematisiert, wenn ihr Scheitern überspielt werden soll. Dies hängt mit der Funktion der Grabmäler als Mittel zur Rehabilitation und Patrimoniumssicherung im Interesse der Nachkommen zusammen. Sie sind daher wohl auch immer als Zeugnisse einer bestimmten, häufig eher krisenhaft zu nennenden Einzelsituation, zu interpretieren. Eine große Forschungslücke, die auch auf der Tagung nicht hinreichend thematisiert worden sei, so Emich, bestehe in der Frage nach der Rezeption der Gräber. War ihr Geltungsanspruch erfolgreich? Für wie lange? Wie war ihre zeremonielle Anbindung? Wer veranlasste ihre Dokumentation? Damit hängt außerdem zusammen, dass bei ihrer Interpretation die Eigenständigkeit des Kunstwerks im Medium Raum beachtet werden müsse. Insgesamt habe die Tagung einen wichtigen Beitrag zur Weiterführung von Kategorien zur präziseren Erfassung des Zusammenhangs zwischen politisch-staatlichem Wandel und der Rolle der visuellen Repräsentation geleistet.

H-Soz-u-Kult – Tagungsbericht – Das Grabmal des Günstlings – von Ruth Schilling