Projekt

 

REQUIEM – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der frühen Neuzeit

"Der Tod ist eine große Macht" ließ Thomas Mann seinen Helden Hans Castorp auf dem todesverliebten "Zauberberg" träumen. "Man nimmt den Hut ab und wiegt sich vorwärts auf den Zehenspitzen in seiner Nähe. Er trägt die Würdenkrause des Gewesenen, und selber kleidet man sich streng und schwarz zu seinen Ehren."

Alle Beschäftigung mit der Vergangenheit hat von jeher dem Zurechtkommen mit der Gegenwart gedient. Der Tod spielt dabei eine zentrale Rolle. Wer vergessen wird, dessen Nachkommen bestraft das Leben, und umgekehrt wird ihre Stellung in der Gesellschaft um so sicherer und solider sein, je ehrfurchtgebietender jene "Würdenkrause des Gewesenen" ist, mit welcher die Vorfahren das Gewicht ihres vergangenen Lebens in der Welt der Nachfahren präsentieren.

Der Art und Weise, wie sich die Gestaltung der "Würdenkrause des Gewesenen" in Form von Grabmälern im Rom der frühen Neuzeit vollzog, ist unser Projekt gewidmet. Die in diesen knapp 400 Jahren entstandenen Papst- und Kardinalsgrabmäler sollen dabei nicht nur im engeren kunsthistorischen Sinn deskriptiv erfaßt und stilkritisch untersucht, sondern darüber hinaus eingebettet in den Kontext ihrer kulturellen, sozialen und politischen Entstehungsbedingungen betrachtet werden; zudem sollen sie auch eine Deutung als gezielt eingesetzte Instrumente zur Legitimation, Fundamentierung, Intensivierung und Dynamisierung von Macht und Status ihrer Auftraggeber erfahren – letzteres stets in einem im jeweiligen Einzelfall zu untersuchenden Spannungsverhältnis zwischen dem Bezug des Grabmals auf die historische Persönlichkeit des Verstorbenen und den Ansprüchen des oder der Auftraggeber.

Zu bewältigen hatte diese Darstellung "sub specie aeternitatis", was sich nur scheinbar paradox ausnimmt, sehr weltliche, zukunftsbezogene Aufgaben: Die Präsentation des normenkonformen Todes nach einem regelbestimmten Leben wird zum Vehikel der Erweiterung soziopolitischer Handlungschancen der (Über)Lebenden, das Grabmal perpetuiert somit die Qualitäten des Verstorbenen im Sinne der familiären Interessen. Die Inszenierung des toten Individuums stellt ein Mittel dar, Rang und Größe des Familienkollektivs am Leben zu erhalten.

Das REQUIEM-Projekt ist der Entschlüsselung dieser komplexen Inszenierungen von Vergangenheit im Dienste der Gegenwart und Zukunft gewidmet. Seine interdisziplinäre Ausrichtung ist das Resultat der Überlegung, daß nur im Zusammenspiel benachbarter geisteswissenschaftlicher Disziplinen diese Dechiffrierungsarbeit mit einiger Aussicht auf Erfolg zu leisten ist. Die römischen Grabmäler der frühen Neuzeit sind nicht nur für Historiker und Kunsthistoriker von Interesse – auch der Dialog mit Archäologie und Philologie, Anthropologie und Theologie wird von uns gewünscht und gesucht.

© Arne Karsten, Philipp Zitzlsperger – 15.05.2001